Der alte Tomke Soler saß in seinem karg eingerichteten Arbeitszimmer in einer schönen konstruktivistischen Villa mitten im Dorf Tiseng, wo die Erfolgreichen und Reichen – fernab vom Trubel der Hauptstadt Koramant – Ruhe suchten. Hier waren sie unter sich, hier konnten sie nach vielen Jahren anstrengender Arbeit in Wirtschaft, Handel oder Politik endlich die Früchte ihres Lebens genießen.
Tomke war ein bisschen ein Sonderling. Fast sein gesamtes Leben hatte er in New York verbracht, genauer gesagt im New Yorker Chinatown. Als sechzehnjähriger Junge lief er von zu Hause aus seiner Heimatstadt Koramant weg, nicht etwa aus familiären Gründen – er stammte aus einer wohlhabenden Anwaltsfamilie – sondern aus romantischer Abenteuerlust.
Über seltsame und verschlungene Wege gelangte er nach Bremerhaven, wo er als Schiffsjunge im Decksdienst auf dem Handelsschiff „Macao Star“ anheuerte und mit diesem durch den Suezkanal, über das Arabische Meer, den Indischen Ozean in die unruhigen Gewässer des Südchinesischen Meeres segelte. Dort lud das Schiff die Produkte europäischer Maschinenbaufirmen ab und nahm eine Ladung seltener Tropenhölzer für die USA an Bord. Und so landete der mittlerweile siebzehnjährige junge Seemann Tomke in San Francisco. Hier fand er eine Anstellung als Gehilfe in einem Stoffladen. Nach zwei Jahren traf er zufällig in diesem Geschäft einen chinesischen Kaufmann, einen Experten für Porzellan. Sie wurden Freunde und Wang Ye – so hieß der Chinese – weihte ihn in die Geheimnisse des chinesischen Porzellans ein.
Tomke wurde so zum Experten für Porzellan und andere typisch chinesische Produkte. Im Alter von dreiundzwanzig Jahren reiste er nach New York, wo er in der Mulberry Street mitten in Chinatown einen Laden mit Chinoiserie eröffnete. Hier verkaufte er Seidenstoffe, feinstes Porzellan, Bambuswaren, Brokat und winkende glückliche Katzen. Sein Geschäft war sehr erfolgreich und Tomke häufte ein ansehnliches Vermögen an. Mit fünfundsechzig Jahren ging er in den Ruhestand, verkaufte das Geschäft und zog zurück in seine alte Heimat, die er neunundvierzig Jahre lang nicht gesehen hatte. Hier ließ er sich im mondänen Tiseng nieder, wo er die Villa einer verstorbenen Operndiva kaufte.